Als Ulrich Chaussy über den Ort Obersalzberg recherchierte, stieß er auf Dr. Arthur Eichengrün. Er war mit seiner Familie zwei Jahrzehnte vor Hitler in das idyllische Bergbauerndorf gekommen, bevor es zum zweiten Regierungssitz des Diktators umgewandelt und seine Bewohner vertrieben wurden - gleich zu Beginn auch Eichengrün. Chaussy begab sich auf eine lange Rekonstruktion der Biographie dieser besonderen Persönlichkeit. Eichengrün war in der Kaiserzeit und in der Weimarer Republik nicht nur erfolgreicher Unternehmer, sondern allen voran ein bedeutender Erfinder. Auf ihn geht die Entdeckung des Aspirins zurück, er erfand den unbrennbaren Kinofilm und nach seinen Erkenntnissen wurden die Stoffe für Flugzeuge und Zeppeline bespannt. Ein wissenschaftlicher Revolutionär für Kriegstechnik und Medizin, ein Pionier der Kunststoffentwicklung - über Jahrzehnte eine Berühmtheit, bis er im Nationalsozialismus wegen seiner jüdischen Herkunft verfolgt, enteignet und noch 1944 in KZ Theresienstadt deportiert wurde. Das KZ hat er überlebt, aber er starb 1949 in völliger Vergessenheit, aus der ihn Chaussy dank der Hinweise Eichengrüns ehemaliger bäuerlichen Nachbarn in Obersalzberg entreißen konnte.
Bei dem Vortragsabend geht es natürlich um Eichengrün, Gäste erleben jedoch gleichsam den unermüdlichen, hartnäckigen und gerechten Forscher Ulrich Chaussy, dessen Vortrag stets mit vielen Originaldokumenten aus seiner dreißigjährigen Arbeit zu dem Wissenschaftler unterlegt ist.
Ulrich Chaussy wurde 1952 in Karlsruhe geboren, studierte Germanistik und Soziologie (MA) in München. Ab 1976 arbeitet er als Hörfunkjournalist für die ARD und Autor von Sachbüchern, CD-ROMs, Filmen und Web-Features. Seit Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre beschäftigt er sich intensiv mit Rechtsextremismus und Neonazismus. Seine Recherchen zum Oktoberfestattentat führten zur Wiederaufnahme des Verfahrens.